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Eigenheim ist unfinanzierbar geworden: Baubranche landet nach Boomjahren unsanft

Volle Auftragsbücher und gute Geschäfte im Immobilienboom und bis Corona: Die Bauwirtschaft wird unsanft aus einer "goldenen Ära" geholt. Bei Eigenheimen und im Wohnbau brechen die Aufträge weg.

Die Baubranche gilt aktuell als das große Sorgenkind der heimischen Wirtschaft. Inklusive Hilfs- und Nebengewerbe beschäftigen 40.000 Firmen im Baugewerbe rund 300.000 Menschen im Land. Nach einer langen Boomphase mit dicken Auftragsbüchern bricht aktuell der private Eigenheim- sowie Wohnbau ein. Durch die Zinsschübe sind die Finanzierungskosten enorm gestiegen. Für Private ist Wohnungseigentum kaum noch leistbar und Wohnbauträger schieben ihre Projekte auf. Der heimische Baumeisterverband läutet die Alarmglocken. "Bei den Neuaufträgen schaut es zappenduster aus", sagt dessen Sprecher Paul Grohmann. Speziell für Klein- und Mittelbetriebe sei das dramatisch. Er schließt nicht aus, dass es schon ab Herbst zu vermehrten Insolvenzen kommt. Die Rufe an die Politik, mit Förderungen gegenzusteuern, werden lauter. In Summe geht es um Milliardenbeträge. In Richtung Bund geht die Forderung, bei der Sanierung und Ökologisierung von Gebäuden stärkere Förderanreize zu schaffen. Und die Gemeinnützigen drängen Landespolitiker, die Mittel für geförderten Wohnbau massiv aufzustocken.

Optimistischer Ausblick für das Salzburger Baugewerbe

Peter Dertnig, der Innungsmeister des Salzburger Baugewerbes, will den Teufel aber nicht an die Wand malen. "Hier wird derzeit viel schlechtgeredet und Panikmache betrieben." Es stimme, dass die Aufträge im Wohnbau einbrechen. "Das trifft uns heuer noch nicht so, weil wir noch Aufträge abarbeiten. Im nächsten Jahr aber umso mehr." Allerdings könne gerade im Tourismusland Salzburg das Baugewerbe in anderen Bereichen punkten. "Bei Hotelprojekten ist die Auftragslage hervorragend, auch die Seilbahnen investieren kräftig", sagt Dertnig, selbst Chef der Wagrain Bau mit 140 Mitarbeitern. An Mitarbeiterabbau denke in der Branche niemand. "Der Baumeister wird sich auch verändern müssen, viel Potenzial ist im Bereich Sanierung oder Dämmung."

Herausforderungen im Wohnbau

Ähnlich argumentiert Josef Rettenwander, Geschäftsführer der Salzburger RHZ Bau mit 270 Mitarbeitern. Dass die Käuferschicht für private Häuser und Wohnungen angesichts der hohen Zinsen und der verschärften Vorschriften dünn werde, sei nicht zu leugnen. Da sei die Politik gefordert. Dafür steige die Nachfrage nach Sanierungen. Und Hotellerie und öffentliche Hand, aber auch Unternehmen investierten weiter. In manchen Bereichen sei es nach der Überhitzung der vergangenen Jahre auch ein Zurück zur Normalität. Habe man angesichts explodierender Preise bei Stahl oder Holz lange keine Fixpreise mehr bieten können, sei es jetzt wieder möglich zu kalkulieren.

Vom goldenen Jahrzehnt zur Preisherhöhung nach langem Boom

Zu beachten ist, dass die Baubranche einen langen Boom hinter sich hat. Die Nullzinsphase ab 2015 sorgte nicht nur für extrem günstige Finanzierungen, sie sorgte auch für starke Nachfrage und blähte die Immobilienpreise auf. Dieser Mix sorgte nicht nur für volle Auftragsbücher bei den Bauträgern, er erhöhte auch die Margen. Das geflügelte Wort vom "goldenen Jahrzehnt" der Baubranche macht deshalb die Runde. Speziell, weil die Branche auch die Teuerungsturbulenzen seit Corona für sich nutzte. Studien zeigen, dass die Baubranche neben der Energie- und Landwirtschaft mit Preiserhöhungen ihre Gewinne am stärksten steigerte. "Wenn man drei Mal so viel hätte bauen können, steigen eben die Preise", meinte dazu Wifo-Ökonom Josef Baumgartner vor Kurzem in den SN. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut rechnete aus, dass die Bauwirtschaft die Preise seit 2019 um 34 Prozent nach oben geschraubt hat. Diese Zahl bezieht sich aber allein auf die im Inland erzeugte Wertschöpfung, importierte Kostensteigerungen durch Preisschübe bei Energie und Rohstoffen sind da gar nicht mitberechnet. Und diese inländische Wertschöpfung floss großteils in höhere Profite und kam nur zu einem kleinen Teil den Beschäftigten zugute.

Debatte um Baukosten und Baupreise

Die Branchenvertreter weisen das energisch zurück - unter anderem mit Berechnungen, dass die Baukosten seit 2015 deutlich stärker gestiegen seien als die Baupreise. Es stimme zwar, dass es eine sehr starke Auftragslage gegeben habe, heißt es beim Baumeisterverband. Doch die Gewinnmargen hätten sich deutlich eingetrübt, wobei man etwa auf jüngste Lohnsteigerungen von zehn Prozent verweist. Weitgehende Einigkeit herrscht, dass es wohl frühestens nächstes Jahr in der Branche zu Kosteneinschnitten bei einzelnen Firmen kommen könnte. Zu Personalabbau werde man aber nur greifen, "wenn es gar nicht mehr geht", so der Baumeisterverband. In Zeiten des Mitarbeitermangels will auch die Baubranche alles tun, um rare Fachkräfte nicht zu verlieren.

Sanieren ist das Milliardengeschäft der Zukunft

Die Bauwirtschaft hat in den Corona-Jahren 2020 und 2021 die
Gesamtwirtschaft großteils gestützt. Im Jahr 2021 trug das österreichische Bauwesen noch mehr als 6 Prozent zur realen Bruttowertschöpfung des Landes bei, so der Baubarometer der Wirtschaftskammer. Seit dem Vorjahr sinkt der Anteil. Im kommenden Jahr doll die Baubranche laut Baureport nur mehr knapp über 5,5 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung generieren.

300.000 Mitarbeiter beschäftigt die Branche, das sind nicht ganz 7,5 Prozent der unselbstständig Beschäftigten. Trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation klagten zuletzt noch 76 Prozent der Bauunternehmen über Fachkräftemangel.

11 Prozent der Treibhausgasemissionen werden laut Umweltbundesamt im Gebäudesektor emittiert. Das Regierungsprogramm sieht in den nächsten zehn Jahren eine Erhöhung der jährlichen Sanierungsrate des Gebäudebestandes von derzeit 1,6 Prozent auf 3 Prozent vor. Das Umweltbundesamt beziffert das notwendige Investitionsvolumen imBereich der thermischen Sanierung von Gebäuden bis 2030 mit zumindest 26 Mrd. Euro

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